Fraßspuren

Fraunhofer-Residenz 2023

Die Ausschreibung »Artist/Designer in Lab« des Fraunhofer-Netzwerks »Wissenschaft, Kunst und Design« richtet sich an Designschaffende aller Fachrichtungen, die in den interdisziplinären Austausch und in die Zusammenarbeit mit Forschenden der Fraunhofer-Gesellschaft treten möchten.
Eine interdisziplinäre Jury tagte zuletzt am 6. März 2023. Sieben ausgewählte Projekte werden in einem Umfang von 5.000 – 10.000 € finanziert.

Fraßspuren

Bachelor Arbeit: Julia Rhein
Betreuung: Prof. Sebastian Feucht, Prof Pelin Celik

Der Borkenkäfer befällt bevorzugt geschwächte Bäume und hat damit in den letzten Jahren durch seine extreme Ausbreitung zu einem Waldsterben und einer Disruption der lokalen Forst- und Holzindustrie geführt.
Die dabei entstandenen großen Mengen an sogenanntem Kalamitätsholz oder Käferholz werden aktuell zunehmend häufig einer niederen Verwertung zugeführt.
Wie können Fraßspuren und andere Zeichen natürlicher Prozesse am Holz nicht mehr als Makel, sondern als designbestimmende Merkmale herausgearbeitet werden? Wie kann auf materialtechnischer als auch auf rein ästhetischer Ebene einer Entfremdung des Endproduktes von der ursprünglichen Ressource entgegengewirkt werden?

In einer detaillierten Auseinandersetzung mit der Lebensweise des Käfers und den Fraßspuren, die er dabei hinterlässt, wurde erforscht, wie sich unsere Wahrnehmung verändert, wenn wir natürliche Materialien als Ergebnis der im Ökosystem inhärenten, immer fortlaufenden Prozesse verstehen und somit Materialität als Co-Design mit anderen Organismen begreifen.
Im Rahmen einer materialtechnischen Produktentwicklung in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer WKI möchte ich somit zu einem Imagewandel und einer neuen Wertschätzung von Käferholz in der öffentlichen Wahrnehmung beitragen.

Durch den waldbaulichen Fokus auf Holzproduktion und damit einer Reduzierung der Rolle des Waldes als Ressource für menschliche Bedürfnisse wurde der Funktionsweise des Ökosystems Wald zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die daraus entstandenen Fichten-Monokulturen, die unsere Landschaft prägen, sind jedoch besonders empfindlich gegenüber die durch den Klimawandel verstärkt auftretenden Extremwetterereignisse wie Dürreperioden und Stürme.

Die Nutzung von Kalamitätsholz – wie auch von Nebenprodukten der Holzindustrie allgemein – weist den Weg in einen nachhaltigeren und bewussteren Umgang mit Ressourcen und ist somit auch in Bezug auf eine Strategie im Umgang mit dem Klimawandel relevant.